Buch

Leseprobe
"Streuwiesen. Ein Lesebuch"


Anders als die immer schon interpretierte Welterfahrung – etwa durch die Wissenschaft oder Religion – stellen Bilder für Peter Handke das Unmittelbare schlechthin dar. Das allerdings setzt einen Zugang zur Welt voraus, der noch weithin unentfremdet ist. Weder durch Ideologien verzerrt, noch von äußerem Schein verdeckt. Nach dieser Art unverstellter Naturerfahrung scheint Handke sich zurück zu sehnen. Und er weiß, wovon er spricht, der passionierte Wanderer, der immerzu den Kontakt mit seiner natürlichen Umwelt sucht.

Mit seiner Charakterisierung der Welt als „Bildverlust“ möchte er zumindest an die Utopie einer Welt erinnern, die sich dem Menschen noch als Geheimnis und zu Entdeckendes offenbart. Es ist eine Welt, die noch nicht von Seinsvergessenheit und Entfremdung geprägt ist. Aber gibt es diesen Weg zurück? Wohl eher nicht. Sonst hätte er wohl auch diesen Roman nicht geschrieben. Aber die Erkenntnis des Bildverlustes kann vielleicht dazu führen, dass ein Bewusstsein dieses Verlustes uns möglicherweise sensibler macht für das, was wir verloren haben. Man könnte auch sagen: Wenigstens das unglückliche Bewusstsein (Marcuse) dieses Verlustes sollte auf diese Weise erhalten bleiben – damit nicht alles dem Vergessen anheimfällt. Denn: Der Verlust der Bilder ist der schmerzlichste der Verluste. – Es bedeutet den Weltverlust. Es bedeutet: es gibt keine Anschauung mehr. Es bedeutet: die Wahrnehmung gleitet ab von jeder möglichen Konstellation.

Indem Handke das „unglückliche Bewusstsein“ über den „Weltverlust“ bewahrt, gibt er einer möglichen Quelle des Widerstands und der Empörung Raum. Solange noch der Schmerz über diesen Verlust bewusst wird, ist das verdinglichte Bewusstsein nicht total.

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