Buch

Leseprobe
"Weitermachen. Journal 2021"


Habe mich sofort auf den Mozart gestürzt und jetzt – nach nur 50 Seiten – schon mehr über Mozart erfahren, als ich je gewusst habe. Das liegt natürlich an der analytischen Qualität Hildesheimers, der mit vielen Mythen und Gemeinplätzen aufräumt. Etwa: Mozart als Produkt österreichischer Mentalität oder heimatlicher Umgebung; so hätten sie es wohl die Österreicher gern, um ihn sich einverleiben zu können. Stattdessen weist Hildesheimer darauf hin, das Mozart das Wien seiner Zeit gehasst hat; ebenso wie die Spießer in Salzburg (fast ebenso drastisch wie Thomas Bernhard).
Interessant dann ein Zitat von Freud: Das Denken in Bildern ist nur ein sehr unvollkommenes Bewusstwerden. Es steht auch den unbewußten Vorgängen irgendwie näher als das Denken in Worten und ist unzweifelhaft onto- wie phylogenetisch älter als dieses.

Hildesheimer fährt fort: ‚Bild’ bedeutet hier natürlich nicht Kunstwerk, nicht tabula, sondern imago: das von allein sich einstellende, zu Wiedergabe und Mitteilung sich ergebende Abbild als Mittel der Kommunikation. Erst durch einen kreativen Willensakt wird die imago zur tabula (oder pictura) geformt und dadurch zum Kunstwerk sublimiert. Dieser Akt ist zwar ein bewusster Vorgang – das Festhalten der Vision als handwerklicher Vollzug – doch schließt er begriffliches Denken nicht in sich ein. Die Denker unter den Malern sind denn auch selten; auch die Größten waren weniger Sucher im Abstrakten als Finder im Konkreten; und selbst die Erfinder unter ihnen, die Renaissancekünstler, wurden weniger von gedanklicher Spekulation geleitet als von Wissensdrang: weniger von einem Weltbild als von einem Wunschbild einer – wenn auch nur technischen – Erneuerung.



<< Zurück