Leseprobe An milden Sommerabenden sitzen wir auf unserer Bank und erwarten das allabendliche Schauspiel: Am Horizont geht die Sonne unter. Der Himmel verfärbt sich. Die Vögel verstummen allmählich. Bald tauchen die ersten Fledermäuse auf. Wie trunken fliegen sie kreuz und quer. Dann schwärmen die Siebenschläfer aus. Ihre Signale sind weithin zu hören. In den Büschen ein erstes Aufleuchten der Glühwürmchen. Es sind die Weibchen, die nicht fliegen können. Sie erwarten ihre in der Sommerluft tänzelnden Bewerber. Am Himmel die ersten Sterne. Mit dem aufziehenden Mond verfärbt sich die Landschaft noch einmal und wird von einem silbrigen Grauton überzogen. Ein geheimnisvolles Schweigen liegt über dem Land, als würde die Welt den Atem anhalten. Wir sitzen und schauen und vergessen die Zeit. Ich bevorzuge den Spätsommer, wenn die Natur zur Ruhe kommt und allmählich in einen sanften Schlummer übergeht. An den letzten milden Oktobertagen, wenn die tief stehende Sonne den Herbstwald in warme Farben eintaucht, wirkt das gedämpfte Licht wie ein Zauber. Zuweilen beobachte ich ein nieder schaukelndes Herbstblatt, als wollte es sich zieren, seine Lebensbahn hier und jetzt zu beenden. Es ist ein ganzes Jahr, das da herabsinkt. Die letzten Kraniche ziehen vorüber; wir schauen ihnen wehmütig nach und wünschen ihnen eine gute Heimkehr. Dann weiß ich: Jetzt beginnen sie, die Tage, die überfließen vor Zeit. Die Tage der Besinnung und des Lesens.<< Zurück
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