Leseprobe Gegenblende Gehen zu Fuß über die Flora, das Rheinufer ins Wallraf-Richartz-Museum. Wir waren einige Monate nicht hier, aber es ist jedes Mal ein Erlebnis. Immer wieder gibt es Neuentdeckungen. Diesmal gefällt mir Die Brücke von Chatou (1908) von Maurice de Vlaminck besonders. Wir beschränken uns auf die Abteilung Moderne im 3. Stock, wo wir fast alles versammelt finden, was uns interessiert. Wir sind mit einem weiteren Besucher allein in der Abteilung; erst ganz zum Schluss kommt eine Schulklasse hinzu, die sich jedoch rücksichtsvoll verhält. Ich staune, wie aufgeschlossen die Kinder sind. * Nach dem Museumsbesuch gehen wir zu unserem Italiener bei Standa; wir lassen uns wie immer einen Wein empfehlen – diesmal einen sardischen – von dem wir später eine Flasche kaufen. Dazu italienische Spezialitäten. Mit dem Taxi fahren wir zurück nach Nippes. Es ist der Tag des Abschiedspiels von Lukas Podolski. Der Taxifahrer erzählt, dass er L.P. einmal gefahren hat. Dieser habe ihn gefragt: Warum fährst Du nicht die Autobahn, das geht schneller? Daraufhin habe er ihm gesagt, das wäre ein Umweg und viel teurer. Darauf L.: Mach dir doch keinen Kopp. Ich bezahle doch alles. So sei er gewesen: geradeaus und schnörkellos. Heute hätten doch viele Spieler das Abitur und würden kariert daherreden. Mit L. habe man sich ganz normal unterhalten können. Ein guter Junge, meint er abschließend. * Lese weiterhin Erzählungen von Franz Kafka und David F. Wallace. Mich interessiert, wie sie ihre Erzählungen konstruieren. Bei Kafka fasziniert mich seine präzise, fast protokollarisch-korrekte Schreibweise, mit der es gleichwohl gelingt, absurde bzw. surrealistische Effekte zu erzielen; z.B. in der Erzählung Die Verwandlung. Bei Wallace ist es ähnlich, wobei es eine hohe Übereinstimmung zwischen den dargestellten Themen und der Form der Darstellung gibt. Beiden gemeinsam ist das breite Themenspektrum, das von Alltagswahrnehmungen bis hin zu Phantasie- oder Traumprodukten reicht. In jedem Fall eine lehrreiche Lektüre.
|