Buch

Leseproben "Die Mission"

Glauben Sie mir, ich spreche aus Erfahrung. Meine besten Ideen kommen mir, wenn ich spazieren gehe. Durch den Wald oder am Wasser entlang, wie hier. Wenn ich an gar nichts Bestimmtes denke. Mich zu nichts zwinge, mich überhaupt nicht anstrenge. Das ist, als würde mein Kopf frei werden für Dinge, die mir wichtig sind. Denn in Wirklichkeit stimmt es natürlich nicht, dass man an nichts denkt. Das ist gar nicht möglich. Ein Widerspruch in sich. Sobald man an nichts denkt, denkt man ja. Es hat noch keine rechte Gestalt, ist noch unfertig. Aber etwas ist im Werden. Man könnte auch sagen: dieses Etwas ist noch unausgegoren, wie ein Kuchenteig, der noch nicht aufgegangen ist. Aber ganz plötzlich ist er da: der zündende Gedanke, die neue Idee, das noch nie vorher Gedachte. Das gilt es festzuhalten und in eine bestimmte Form zu bringen. Ein höchst produktiver Vorgang, wie Sie zugeben müssen.
Ich würde mich als einen Experten im Müßiggang bezeichnen. Diese Fähigkeit muss man sich regelrecht erkämpfen. Man kann sie erlernen: durch große Beharrlichkeit und Selbstdisziplin. Ich habe mich von Kind auf darin geübt. An bedeutenden Vorbildern mangelt es nicht: so wussten beispielsweise die Philosophen im alten Griechenland diese Tugend sehr zu schätzen. Ohne Muße gäbe es keine Philosophie. Stellen Sie sich vor, diese Leute hätten hart arbeiten müssen. Ein Platon, der von morgens bis abends auf dem Feld arbeitet. Ein Sokrates als Bankangestellter. Ihm wäre zwar der Giftbecher erspart geblieben. Aber hätte er sich nicht auf dem Marktplatz herumtreiben können – viele seiner weisen Sprüche wären ungesagt geblieben. Man mag es sich gar nicht ausmalen. Was für ein Verlust für die Menschheit.


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