Buch

Leseprobe (aus der Einleitung)
"Leben braucht keine Begründung. Zum literarischen Werk von Dieter Wellershoff"


„Mit Akribie setzt sich Wellershoff in seinen Werken mit der Vielfalt an konstituierenden Elementen der unmittelbaren Lebenssituation der Menschen auseinander: Die Dinge, die seine Figuren umgeben und die ihnen wichtig sind, stehen oft für die Starrheit der Lebensverhältnisse. In Lebenskrisen verändern sie ihre Bedeutung: Alles, was bisher vertraut und verlässlich schien, kann zur Bedrohung werden. Die Dinge müssen neu wahrgenommen und benannt werden, was oft nicht gelingt. Dann werden sie zum feindlichen Gegenüber und zur Bedrohung.

Ähnliches gilt für die Erfahrung der Zeit: sie steht oft für Leere; Langeweile; Gleichförmigkeit; Wiederholung. Und sie beinhaltet ein Grundgefühl menschlicher Existenz: das Wissen um die Vergänglichkeit des Lebens und das Erschrecken darüber. Die unumstößliche Tatsache, dass wir auf den Tod hin leben, erzeugt bei vielen Angst – ein Gefühl, das sehr mächtig werden kann: Denn das eigentliche Gegenüber der Angst ist das Nichts (Heidegger).

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass das Wellershoffsche Vokabular stets um Begriffe wie Zufall; Einsamkeit; Verzweiflung; Krise; Konflikt; Sinnlosigkeit; Illusion und dgl. kreist.

Wellershoff sieht in der Literatur ein Medium der Erweiterung und Vertiefung der Wahrnehmung unseres Lebens. In immer neuen Konstellationen spielt er die fragilen Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen in einer überkomplexen Umwelt durch und liefert die Gründe für ihr häufiges Scheitern. Die Handlungssituationen enthalten immer mehr Optionen als einlösbar sind. Gerade die moderne Gesellschaft mit ihren Freiheitsversprechen und Konsumangeboten weckt ein Übermaß an Ansprüchen und Wünschen, vor denen viele in Phantasie- und Traumwelten flüchten, weil ihnen die Mittel fehlen, ihre Sehnsüchte nach einem gelungenen oder geglückten Leben zu verwirklichen.“

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